Die Rückensegel-Echsen

Die Rückensegelechse Naosaurus (F. John 1902)
1878–1885
Im Jahre 1878 beschrieb der amerikanische Paläontologe Edward Drinker Cope aus Texas ein reptilähnliches Tier aus der Ahnenreihe der Säugetiere, das er Dimetrodon (= „zwei Größen an Zähnen“) nannte. Das namengebende Exemplar wies stark verlängerte Wirbelfortsätze im Bereich des Rückens auf. Die Funktion der kammartigen Rückenstruktur war unklar. Man vermutete, dass die betreffenden Knochen zu Lebzeiten mit Haut bedeckt waren, worauf der Begriff „Rückensegel“ Bezug nimmt.
1886–1912
Im Jahre 1886 fand man einen Rückensegel-Saurier, bei dem der Kopf fehlte, dessen Rückenwirbelfortsätze sich aufgrund seitlicher Auswüchse („Noppen“) aber deutlich von
Dimetrodon
unterschieden. Cope nannte das neue Tier
Naosaurus
(= „Schiffsechse“), da er vermutete, dass die hautüberzogenen Rückenstrukturen wie Segel eines Schiffs dem Vortrieb im Wasser gedient hatten.
Andere Bearbeiter favorisierten eine Verteidigungs- oder Tarnfunktion, sofern die Fortsätze nicht von Haut überzogen waren. Naosaurus mit reptilhafter Körperhaltung, genoppter Rückenstruktur und großem, Dimetrodon-ähnlichem Raubtierkopf war die populärste Rückensegelechse um die Wende 19./20. Jahrhundert.
1913–1985
Die Zeit von
Naosaurus
endete 1913, als das komplette Skelett eines Tieres mit genoppten Rückenwirbelfortsätzen, aber dem Kopf eines
Dimetrodon
nah verwandten Pflanzenfressers (Edaphosaurus
= „Pflasterechse“) gefunden wurde. Verheilte Verletzungen von Wirbelfortsätzen bei anderen Funden belegten zudem, dass die Rückensegel zu Lebzeiten von Gewebe überzogen waren. In funktioneller Hinsicht wurde die Hypothese eines Regulationsorgans der Körpertemperatur populär: Mit der vergrößerten Körperoberfläche, so die Überlegung, konnten die als wechselwarm angesehenen Tiere schneller Sonnenwärme „tanken“ als die segellose Konkurrenz.
1986–heute
Das Rückensegel wird zunehmend multifunktionell gedeutet – als Wärmetauscher und vor allem farblich markante Schaustruktur mit Vorteilen bei der Partnersuche oder Feindabwehr. Knochengewebsuntersuchungen zeigen, dass die oberen Teile der Wirbelfortsätze bei Dimetrodon zu Lebzeiten lanzenspitzen-ähnlich das Hautsegel überragt haben. Skelett- und Fährtenanalysen deuten an, dass Rückensegelechsen ihren Körper deutlich höher über dem Boden getragen haben als viele lebende Kriechtiere.

Kuseler Edaphosaurier Remigiomontanus
(Frederik Spindler 2016)

Dimetrodon, Lebendmodell (GEOSKOP)
Das Rückensegel-Rätsel
Wozu hat das große Rückensegel der Tiere gedient? Theorien gibt es viele. Da im heutigen Tierreich vergleichbare Strukturen fehlen, bleiben alle Erklärungsversuche spekulativ. Auch 140 Jahre nach der Erstbeschreibung eines solchen Fossils ist die Diskussion über die Funktion des Rückensegels noch immer in vollem Gange.