Pfalzmuseum für Naturkunde

Das Handtier

Chirotherium-Trittsiegel (Stiftung Schloss Friedenstein Gotha)

Das Chirotherium-Rätsel

Welches Tier die Chirotherium-Fährten erzeugt hat, war lange Zeit ein großes Rätsel, da zugehörige Knochenreste fehlten. Deutschsprachige Naturforscher konnten die Abdrücke anfangs nur mit lebenden Tieren vergleichen. So wurden sowohl Affen, Beuteltiere, Bären, Salamander als auch Reptilien als Erzeuger in Betracht gezogen.

Friedrich Carl Ludwig Sickler

1834

m

Gymnasialdirektor und Altertumsforscher

Heinrich Girard

1835

Geologe und Mineraloge

Alexander von Humboldt

1835

m

Forschungsreisender und Universalgelehrter

Johann Jakob Nöggerath

1835

Mineraloge und Geologe

Heinrich Georg Bronn

1835

Geologe und Paläontologe

Friedrich Siegmund Voigt

1835

Zoologe und Botaniker

Chirotherium-Trittsiegel

(GEOSKOP)

Chirotherium als Riesenfrosch um 1854

(Paläontoloisches Institut und Museum Zürich)

18341850

Im Jahre 1834 fand man auf Sandsteinplatten im südthüringischen Hildburghausen versteinerte Trittsiegel eines Tieres, die an eine menschliche Hand erinnerten. Die Trittsiegel benannte der Darmstädter Paläontotloge Johann Jakob Kaub 1835 als Chirotherium (= Handtier). Der Spurenerzeuger blieb ein großes Rätsel und wurde wahlweise unter Säugetieren, Reptilien und Amphibien vermutet. Verwirrung stiftete der abgespreizte und an der Basis wulstige Chirotherium-Zeh, der zwar einem Daumen ähnelt, aber zum Hinterfuß gehört und auf der Außenseite des Trittsiegels liegt.

18511924

Im Jahr 1851 schuf der englische Anatom Richard Owen die erste Rekonstruktion eines Chirotherium-Erzeugers. Als Grundlage dienten Knochenfunde des ungefähr altersgleichen Riesenlurches Labyrinthodon (= heute Mastodonsaurus). Fast sieben Jahrzehnte dominierte die Vorstellung, dass Chirotherium die Spur eines großwüchsigen, froschartigen Amphibs ist. Wegen des scheinbar außenliegenden "Daumens" wurde das Tier mit sich beim Laufen überkreuzenden Beinen dargestellt.

19251964

Als Erster bemerkte der deutsche Paläontologe Wolfgang Soergel im Jahr 1925 die große Ähnlichkeit zwischen Chirotherium-Trittsiegeln und dem Fußskelett der Scheinkrokodile (Pseudosuchier).

Diese frühen Vorfahren heutiger Krokodile besitzen einen abgespreizten äußeren Zeh. Soergel rekonstruierte aus Spuren und Teilskeletten von Pseudosuchiern einen schlanken Chirotherium-Erzeuger mit kurzen Vorder- und langen Hinterbeinen, kleinen Vorder- und großen Hinterfüßen sowie langem Balancierschwanz. Den Gang des Tieres deutete er als schnürend - dabei sind Vorder- und Hinterfüße beim Laufen fast auf gerader Linie angeordnet wie bei Katzen oder Hunden.

1964heute

In der Südschweiz wurde 1965 das Skelett eines großen Scheinkrokodils (Ticinosuchus = "Tessiner Krokodil") gefunden. Hand und Fuß passten zu den Chirotherium-Trittsiegeln und der Körperbau des Tieres bestätigte eindrucksvoll Soergels Rekonstruktion. Ticinosuchus wird bis heute als Musterbeispiel eines Chirotherium-Erzeugers angesehen. Chirotherium-artige Trittsiegel kennt man mittlerweile von fast allen Kontinenten der Erde. Im frühen Erdmittelalter waren die Scheinkrokodile sehr erfolgreiche und weit verbreitete Raubtiere.

Chirotherium, Lebendmodell

(Frederik Spindler 2021, Stiftung Schloss Friedenstein Gotha)

Chirotherium-Modell, linker Hinterfuß mit Spur

(Modell Frederik Spindler 2021, Gesamtdarstellung GEOSKOP)

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